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7. Februar 2013 4 07 /02 /Februar /2013 22:45

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"Sag mal, was war eigentlich in dem abgeschlossenen grünen Kasten, die bei euch auf dem Marmorbord in der Diele stand?”

Das fragte mich eine Detmolder Freundin, mit der ich öfter telefoniere. 

“Wie kommst du jetzt auf diese alte Kiste?”, staunte ich, “das ist doch fast Jahrzehnte her” 

Und dann erzählte ich Ina, was es mit dem geheimnisvollen Kasten auf sich hatte: 

Mein Vater war, außer mit seinem Militär-Tick, noch mit diversen anderen Schrullen behaftet. Eine davon war sein heiliges Telefon. Eigentlich beharrte er auf  traditionellen Geräten. Aber Kurbeltelefone und das freundliche Fräulein vom Amt waren längst Geschichte. So hatten wir ein Telefon mit Wählscheibe mit einem kurzen Kabel. 

Nun reiste Vatern mit seinem Gartenbauverein nach England. Dort lebte ein entfernter Verwandter von ihm. Der war Professor an einer adventistischen Hochschule in Windsor. 

Den wollte Vatern unbedingt besuchen, was ihm auch gelang. (Der arme Gartenbauverein …). 

Zurück in Deutschland ging es in einer Tour  “Konrad hat … Konrad sagt … Konrad macht...” 

Konrad-dies und Konrad-das. Wir konnten den Namen Konrad bald nicht mehr hören. 

Und natürlich ließ Vatern diesen  hoch zu ehrenden professorlichen Kontakt nicht wieder einschlafen. 

Oft rief er in England an. Diese Telefonate dauerten.  Deshalb schaffte er sich einen wuchtigen gepolsterten Schaukelstuhl an. 

Dann kam die Telefonrechnung … 

Vatern ließ Muttern und mich antreten und strammstehen, dann brüllte und kreischte er in den höchsten Tönen: “Wie könnt ihr es wagen, mein Telefon zu benutzen! Nur ICH als Herr des Hauses habe zu entscheiden, wer telefonierten darf! Verstanden?!” 

“Jawohl, Herr Oberfeuerwerker!” war die Antwort, die er darauf erwartete. 

Das allein reichte ihm jedoch nicht. Er schaffte ein kleines Schloss an, womit man die Wählscheibe blockieren konnte. Den Schlüssel dazu bewahrte er in seinem Geldbeutel auf. 

Aber … o Schreck! … die nächste Telefonrechnung war sogar noch höher! 

Antreten, Strammstehen, just the same Procedure … 

Hier mussten offenbar schwerere Geschütze aufgefahren werden, und zwar in Form einer Munitionskiste! 

Wieso das? Ganz einfach. Darin wollte er sein heiliges Telefon einschließen. Er verschwand mit der grünen Kiste in seiner Werkstatt, und bohrte ein Loch in die Seitenwand. 

Ätsch! Das war Trick siebzehn mit Selbstüberlistung. 

Das Kabel saß nämlich fest am Telefonanschluss! 

So brauchte Vatern den ganzen Sonntag für eine genaue Konstruktionszeichnung für den geplanten Kabelschlitz auf seinem technischen Zeichenbrett. Den Schlitz in die Kistenwand zu kriegen und Löcher für das Vorhängeschloss zu bohren dauerte nicht mal halb so lange. 

Mit befriedigt-hämischen Gesichtsausdruck versenkte Vatern das heilige Telefon in diesen “Blechsarg”, hängte das dicke Schloss ein und sperrte ab! 

Mein größter Wunsch war stets, er möge doch den Schlüssel verlieren … 

Muttern plagten andere Sorgen: dieser häßlich grüne Kasten passte nicht zum “hochherrschaftlichen” Anblick unserer Protzdiele! 

Wie schrecklich! Was sollen denn die Leute sagen? Welche Leute? So viel Besuch verirrte sich wirklich nicht zu uns. 

Da half kein Jammern, die Kiste blieb! So verschönte Muttern das gute Stück mit einem Häkeldeckchen und einem Väschen mit Stoffblümchen. 

O Graus. Das passte zusammen wie Knoblauch und Kirschlikör ... 

Nun hatte Vatern in seinem Gartenbauverein neue Mitglieder kennen gelernt. 

“Stellt euch vor, einer ist Mediziner und der andere sogar Kriminalkomissar!” So prahlte er mit seinen neuen “Freunden”.  Komisch, Doktoren und Polizisten gibt es doch mehr. Was ist daran so besonders? Er hatte sich fest vorgenommen, diese beiden zu sich nach Haus einzuladen. 

Von Großwildjägern weiß ich, dass sie die Köpfe ihrer Trophäen an die Wand hängen. Das würde bei diesen beiden aber nicht  funktionieren. 

Ach so, ja, jetzt fiel es mir wieder ein. Diese Prozedur hatte ich schon öfter gesehen. Da schraubte Vatern seine gute Kamera mit Selbstauslöser auf ein Stativ, und dann wurden seine “Eroberungen”, mit ihm dazwischen fotografiert und so für sein vermeintlich ehrfürchtiges Publikum festgehalten. 

An einem schönen Sonntag Nachmittag drang das gedämfte Klingeln des Telefons aus der Kiste. Muttern, dienstbeflissen wie immer, sprang auf und rannte zum Telefon. 

Bestimmt wollte ihr der Herr des Hauses seine Befehle erteilen. 

So war es auch. Dabei hatte Vatern nur vergessen, dass er allein der Hüter des Telefonkastenschlüssels war. 

Wenig später erschien er, mit seinen hochwerten Gästen im Schlepp - und nichts war vorbereitet. Er schrie Muttern fürchterlich an, sie rannte weinend ins Haus.  Vatern folgte ihr, wüste Drohungen ausstoßend, die beunruhigten Besucher dicht auf den Fersen. 

Vor dem Telefonkasten endete die Jagd, weil Muttern auf der ersten Treppenstufe gestürzt war … 

Später erkundigten die Männer sich, was es mit dem komischen Kasten auf sich habe. Und Vatern berichtete. 

Vielleicht hatte er jetzt begriffen, dass die Kiste ihn auch nicht vor hohen Telefonrechnungen schützte. Noch am selben Abend verschwand die Munitionskiste im Keller.


Telefonverarsche 20
Hochgeladen am 18.07.2008 von Mc Wookie

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Kommentare

M
<br /> <br /> <br /> <br /> wählscheibentelefone<br />
Antworten
H
<br /> So alte Telefone haben schon ihrem Stiel…<br /> <br /> <br /> Wir wollen uns mal eines kaufen was auf alt getrimmt ist. Allerdings ist die Wählscheibe nicht echt. So eine Wählscheibe kann aber auch sehr anstrengend werden… ich denke an das Telefon meiner<br /> Schwiegereltern, die hatten noch sehr lange das alte Ding. Einziger Nachteil, die Wählscheibe ging immer schwerer zu drehen… tat nach her auch in Finger weh, weil es immer schwerfälliger wurde…<br /> und drehte sich immer langsamer zurück. Um richtig lange Zahlenreihen zu wählen brauchte man wirklich viel Zeit, da wurde das Wählen zeitaufwendiger als das Telefonnat selbst!<br /> <br /> <br /> Irgendwann hatten dann selbst meine Schwiegereltern die Nase voll…<br /> <br /> <br /> Aber wie gesagt, wir wollen uns mal eines holen was zumindest sehr alt aussieht, mit richtiger Telefongabel . Past auch<br /> besser zu den alten Möbeln…<br />
Antworten
K
<br /> <br /> Einen Vorteil hatten diese alten Telefone: Mit ihnen konnte auch bei Stromausfall telefoniert werden. Dagegen brauchen die neuen Telefone ein zusätzliches Netzteil. Und wenn wieder einmal der<br /> Strom ausfällt, weil ein Vogelschutz auf die Hochspannungsleitungen montiert werden muss, dann kann nicht telefoniert werden. Es gibt zwar auch Apparate, die sich auf einen Notbetrieb umschalten<br /> lassen. Da gibt es dann auf der Unterseite ein winzig kleines Schalterchen, das umgelegt werden muss ...<br /> <br /> <br /> <br />
J
<br /> Witzige Geschichte :) Mein Vater ist da auch so wie deiner, nur gab es zu meiner Kindheit leider nicht mehr diese Telefone, was ich sehr schade finde.<br />
Antworten
K
<br /> <br /> Ja, manchmal meine ich, Väter sind eine besondere Spezies von Menschen. Telefone mit Wählscheibe gibt es manchmal noch, auf Flohmärkten und bei uns im Versand für den Landhandel. Besonders schön<br /> finde ich die Apparate, bei denen der Hörer auf einer Gabel liegt. Ich mag altmodische Sachen. So habe ich zum Abhören der Tiere ein richtiges altmodisches Hörrohr, das funktioniert sogar<br /> manchmal besser als ein Stethoskop. Dazu habe ich im Damen Conversations Lexikon eine Beschreibung gefunden:<br /> <br /> <br /> http://de.academic.ru/dic.nsf/damen/6242/Stethoskop<br /> <br /> <br /> So ein Teil braucht keine Elektronik und auch keine Batterie, funktioniert trotzdem! Ich bewundere immer die Menschen, die solche Sachen erfunden haben!<br /> <br /> <br /> So schaut auch mein Hörrohr" aus:<br /> <br /> <br /> http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Pinard-Rohr.jpg<br /> <br /> <br /> Richtige Stethoskope habe ich auch ...<br /> <br /> <br />  <br /> <br /> <br /> <br />
H
<br /> Ich erinnere mich auch an diese Telefonschlösser.  Wir hatten keines, aber von einer Schulfreundin die Mutter hatte ihr Telefon so abgeschlossen…<br /> <br /> <br /> Aber dein Vater hat malwieder "den Hasen" abgeschossen! Und sich selbst dabei getroffen…<br />
Antworten
K
<br /> <br /> Und dabei hat er immer angegeben, dass er "Ing. (grad.)" war. Als ich dann das Diplom in der Tasche hatte und mich Dipl.-Ing. nennen durfte, hat es ihn gewurmt und er meinte: Du bist ja gar kein<br /> richtiger Ingenieur. Ich: Nee, so ein Umstandskramer bin ich nicht <br /> <br /> <br /> <br />
K
<br /> Ach ja, diese Telefonschlösser kenne ich auch noch. Die hatten wir in der Firma und jeder mußte sein Telefon abschließen wen er nach Hause ging. <br /> <br /> <br /> Daheim hatten wir so ein Schloss nicht. Schließlich sollte jeder im Notfall auch die Polizei oder die Feuerwehr anrufen können.<br /> <br /> <br /> Dein Vater hatte ja leider einige solcher verschrobenen Ansichten. Du hattest da sicher am meisten darunter zu leiden. Die hohen Telefonrechnungen hat Dein Vater wohl selber verursacht, da hilft<br /> auch kein wegsperren der Telefons.<br /> <br /> <br /> Danke für diese Geschichte aus Deiner Jugend!<br />
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K
<br /> <br /> Dass es Notfälle geben könnte, daran dachte er nicht  Als einmal meine Stiefmutter schwer stürzte und erst<br /> später gefunden wurde, wollte ich ein Notrufsystem installieren lassen. Da hat er sich fürchterlich aufgeregt. Grund: Ich lasse mich nicht abhören! Und er kaufte sich ein Handy ... Dann wollte<br /> ich eine Schwester engagieren, die regelmäßig vorbeikommt und nachschaut. Auch das wollte er nicht. Grund: Ich will keine Fremden im Haus! Und als er erfuhr, dass die Schwester von der<br /> Arbeiterwohlfahrt kommt, schimpfte er: Ich brauche keine Sozialhilfe!<br /> <br /> <br /> Es war wirklich nicht leicht <br /> <br /> <br /> Dass es Firmen gibt, bei denen die Telefone abgeschlossen werden, höre ich zum ersten Mal. Naja, als Kind und Jugendliche lebte ich bei Nomaden, da gab es überhaupt kein Telefon. Und es ging<br /> auch  Mein erstes Telefon sah ich beim Militär. Da musste vorher kräftig gekurbelt werden, um die nötige<br /> Spannung aufzubauen. <br /> <br /> <br /> <br />

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  • : Tagebuch einer Schamanin, aufgewachsen in der mongolischen Steppe bei Nomaden, Vater deutsch, Mutter Mongolin.
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